Was liest man denn da auf einmal im Südkurier? Nachdem das Lokalblatt zu Beginn der Razzia gegen die Gruppe um Prinz Reuß voll auf die Kampagne der Staatsanwaltschaft aufgesprungen war und die Mitangeklagte Johanna Findeisen aus Frickingen öffentlich an den Pranger stellte, muss es jetzt ‒ nachdem Findeisen zwei Jahre lang in Untersuchungshaft festgehalten wurde ‒ eingestehen:
„nach wie vor hat die Verhandlung nicht deutlich herausgearbeitet, was an der aus Frickingen stammenden Frau nun genau die Terroristin Findeisen sein soll.“ Und weiter: „Das Oberlandesgericht in Frankfurt beschäftigt sich seit Prozessbeginn mit einer Vielzahl an Protokollen und Details, die einen Blick auf das große Ganze ‒ den Vorwurf eines Staatsstreichs ‒ bislang vermissen lassen.“
Die Staatsanwaltschaft hatte und hat nichts in der Hand, das ihre Behauptungen und damit den medial inszenierten Großeinsatz rechtfertigen könnte. Seit mehr als zweieinhalb Jahren sucht sie nach Beweisen und seit Prozessbeginn flüchtet sie sich ins Klein-Klein, anstatt ihre Beschuldigungen fundiert zu belegen. Unter Tausenden Dateien auf den Rechnern der Angeklagten werden gezielt solche herausgefiltert und präsentiert, die eine Gesinnung konstruieren, welche die Angeklagten als staatsfeindlich ausweisen soll. Es werden sogar E-Mails der Angeklagten herangezogen, die in deren Spam-Ordner gefunden wurden, oder Dateien aus dem Cache, welche der Browser ohne Kenntnis des Nutzers aus dem Internet zieht und abspeichert. Dokumente, Chats, überwachte Gespräche, welche die Absicht eines gewalttätigen Staatsstreichs nachweisen, gibt es dagegen keine.
Dieses Justiz-Versagen erkennt die lokale Mainstreampresse heute an, weil es inzwischen nicht mehr geleugnet werden kann. Doch den noch weitergehenden Vorwurf, dass Johanna Findeisen im Gefängnis mit Methoden zermürbt wird, die als Folter zu bezeichnen sind, versucht sie zu zerstreuen. Der Folter-Vorwurf gegen die Justiz sei „aus der Luft gegriffen“, denn die „unschönen Szenen“ seien „nach allem, was das Hessische Justizministerium ermittelt hat“ legal.
Anstatt eigene Ermittlungen gegen das beschuldigte Justizministerium zu unternehmen ‒ wie es früher eine investigative Presse getan hätte ‒ schenkt der Südkurier sein Vertrauen blind den Aussagen des Justizministeriums. Und nicht nur das, er ruft sogar dazu auf, die „staatlichen Autoritäten“ nicht zu hinterfragen. Deutlicher kann sich das Lokalblatt nicht als regierungshörig zu erkennen geben. Mit einer derart unkritischen Haltung macht es sich für wahrheitshungrige Leser überflüssig.
➔ zur Stellungnahme des Prof. Dr. Martin Schwab (Telegram), dem Wahlverteidiger von Johanna Findeisen
➔ zum Artikel der regierungsfernen, kritischen stattzeitung.org
(Bild von Jacques Savoye auf Pixabay [beschnitten])